Nicht für Lücken büßen

Nicht für Lücken büßen

Mut zur Lücke

Es ist eines jener unverwüstlichen Dogmen der Bewerbungsratgeber: Ein Lebenslauf muss lückenlos sein. Und es ist eine meiner unverwüstlichen Erkenntnisse aus mittlerweile 12 Jahren Karriereberatung: Das stimmt nicht.

Als ich mit dem Thema Bewerbungsberatung begonnen habe Geld zu verdienen – zuerst als reiner Bewerbungstrainer -, war ich von solchen „Gesetzen“ durchaus noch beseelt. Mangels Erfahrung und Wagemut. Meine Vita wurde aber reich an Erfahrung; ich lernte branchen- und hierarchiestufenübergreifende Bewerbungsprozesse kennen und vor allem auch Arbeitgeber, mit denen man schön über das Thema Bewerbungen fachsimpeln kann.

Mit dem wachsenden Wissen wuchs auch der Wagemut. Da war der Klient, dessen Leben sechs berufliche Stationen umfasste; dazwischen war er immer zwei bis drei Monate arbeitslos. Neben den schön ausgeschmückten Positions- und Jobbeschreibungen tauchte wie das täglich grüßende Murmeltier insgesamt fünf Mal die Zeile „Arbeit suchend“ auf. Ihm gefiel ’s nicht, mir gefiel’s nicht; „lassen wir’s doch einfach weg“ riet ich ihm. Zurück blieb ein Lebenslauf, der auf Substanz reduziert war. Genau das, was die Arbeitgeber übrigens haben wollen. So war war dann auch in dem exemplarischen Fall, denn der Klient wurde eingeladen und eingestellt. Im Vorgestellungsgespräch wurden die Lücken überhaupt nicht angesprochen. Es wundert mich nicht, dass in der Netzwelt das Thema Lücke im Lebenslauf gerade sehr durch den Kakao gezogen wird.

Auf die Länge kommt es an

Natürlch steht und fällt der Mut zur Lücke mit ihrer Länge. Eine Sucharbeitslosigkeit von zwei bis drei Monaten wird von den meisten Arbeitgebern als unproblematisch betrachtet. So etwas ist normal geworden. Man muss nicht groß darüber reden – oder eben schreiben.

Ehrlich währt am längsten

Ist die Lücke länger, sollte man sie schon erklären. Und zwar ehrlich. Arbeitssuche, Familienphase, Urlaub, Umzug – eine Lücke kann viele Gründe haben. Der problematischste ist sicherlich ein Gefängnisaufenthalt. Aber wenn das so ist, hilft es nicht diese Phase mit einer positiv konotierten Beschreibung zu erklären wie: Längerer Auslandsaufenthalt.

Arbeitgeber sind selten doof und kennen diese Tricks. Das Gespräch über Land, Leute, Spezialitäten, Wein- und Bierpreise kann derart auf eine Detailebene gebracht werden, dass der Bewerber bald der Unkenntnis und damit der Lüge überführt ist. Und Lügner werden seltener eingestellt, als Menschen mit schwierigen Phasen in Ihrere Biografie, zu denen sie aber stehen. .

Daher gilt neben dem Mut zur Lücke auch: Mut zum Grund der Lücke.

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Günter Flott
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