Die neue Gefahr der Personalplanung: Der Mann

Die neue Gefahr der Personalplanung: Der Mann

Man stelle sich vor, die Bundeskanzlerin Angela Merkel beschließt heute, sich beruflich umzuorientieren. Sie wäre für viele Arbeitgeber gar keine so schlechte Wahl. Als Physikerin mit Doktortitel verfügt sie über eine begehrte Qualifikation und mit ihren 60 Jahren ist sie auch aus dem gebärfreudigen Alter raus. Das schafft den Personalentscheidern beruhigende Rahmenbedingen bei Vorstellungsgesprächen.

Ganz anders hätte das seinerzeit zum Beispiel bei Jean Pütz ausgesehen, der mit 74 Jahren noch Vater geworden ist.

Das war 2010. Der ältere Bruder der damals geborenen Pütz-Tochter kam bereits 1999 zur Welt. Da war der stolze Papa Jean auch schon 63. Ein Segen für seine Geldgeber, dass der Journalist sehr wahrscheinlich Freiberufler ist; als Angestellter hätte er womöglich Erziehungsurlaub beantragen können. Der kann bis zu drei Jahre pro Kind dauern. Dagegen verschwinden die insgesamt 14 Wochen Babypause und Mutterschutz geradezu, wegen denen die gebärende Mutter rund um den Geburtstermin ausfällt.

Männer entdecken die Familie….

Während Frauen in etwa nur zur Hälfte der beruflich aktiven Zeit auch gebärfähig sind, besteht die Zeugungsfähigkeit bei Männern grundsätzlich das ganze Berufsleben über.

Zumal die Männer ihre Fruchtbarkeit auch anwenden, macht die Biologie sie im Sinne der Personalplanung zu den eigentlich unberechenbaren Personen am Arbeitsmarkt. Da wäre Ulrich Wickert, der mit 69 Jahren noch einmal Vater wurde. Oder Charly Chaplin. Zwischen seinem 64. und 73. Geburtstag zeugte er vier (seiner insgesamt elf) Kinder. Antony Quinn hatte sogar 13 Kindern (womit brutto 39 Jahre Erziehungsurlaub zusammekämen). Beim letzten war er stolze 81. Etwa jedes zwanzigste Neugeborene in Deutschland hat einen über 50-jährigen Vater.

Hinzu kommt: Die Väter möchten ihre Sprösslinge nicht zur zeugen, sondern auch ihr Gedeihen aktiv miterleben. Der Anteil der Väter in Elternzeit steigt von Jahr zu Jahr. Mittlerweile nimmt ein knappes Drittel aller Väter Elternzeit. Besonders gerne nehmen sich die Väter in den Freistaaten Sachsen und Bayern diese Freiheit heraus. Arbeitgeber diskriminieren aber weiterhin lieber die Frauen (vielleicht weil man es so gewöhnt ist).

…aber die Personaler entdecken die Gefahr nicht

Viele meiner Klienten nennen in ihren Lebensläufen den Familienstand. Sie beschreiben sich als verheiratet, nennen die Zahl ihrer Kindern nebst Alter. Bei Männern scheint dies eine problemlose Zusatzangabe zu sein. Auch die Familienoberhaupte vielköpfiger Sippen werden zu Gesprächen eingeladen und erhalten Vertragsangebote. Anders bei Frauen. Eine meiner Klientinnen, die meinen Rat suchte, klagte regelrecht über Bewerbungsfrust. Die Maschinenbauingenieurin, Ende 20, hatte einen interessanten Lebenslauf. Ihre Erfahrungen passten gut zu ihrem beruflichen Ziel. Das Anschreiben zeugte von Motivation und Engagement. Aber es hagelte Absagen. Lag es an der persönlichen Angabe „verheiratet, keine Kinder“? Wir strichen diese Passage einfach samt und sonders. Auf die nächste Bewerbung folgte das Vorstellungsgespräch und darauf der Vertrag. Vielleicht war es nur ein Zufall. Vielleicht aber wurde einem Vorurteil einfach das Futter entzogen.

Wenn ich in meinen Bewerbungsseminaren „verbotene Fragen“ in Vorstellungsgesprächen thematisiere, zu denen auch Fragen nach einem Kinderwunsch gehören, tausche ich mit meinen Seminarteilnehmern stets Erfahrungen aus. Und in der Tat: Die Personaler zeigen besonders gerne bei Frauen zwischen Anfang 20 und Ende 30 Interessen an familiären Angelegenheiten. Nicht selten verboten direkt. Männer hingegen erleben solche Fragen gar nicht.

Der Rationalität der Biologie steht eine Irrationalität der Personalpolitik entgegen: Könnten heilsame Selbsterfahrungsschocks helfen?

Aus einer Angst heraus, dass sich Talente der Frauen unter (anderen) Umständen nicht entfalten können, entscheiden Personaler oft gleich von vorn herein gegen sie, womit sich die Talente der Frauen natürlich auf keinen Fall entfalten können. Logik sieht anders aus. Personalern mit diesem Rollenverständnis wünsche ich bei deren nächsten Vorstellungsgespräch in eigener Sache eine resolute Interviewerin, die verboten unterschämt den Bewerber in einen Dialog wie den folgenden führt:

Personalerin: „Wen bewundern Sie mehr, Charlie Chaplin oder Franz Beckenbauer?“

Bewerber: „Oh, sie haben beide ihre Reize….“

Personalerin: „Stimmt offenbar. Besonders auf die Frauenwelt. Beide Männer haben ja noch im hohen Alter Kinder gezeugt. Bei vielen Männern nimmt die Erektionsstörung ab 40 ja deutlich zu. Sie sind doch auch schon deutlich über diese Altersschwelle?“

Bewerber: „Ja, schon….“

Personalerin: „…und wie fühlen Sie sich?“

Der Karriereberater rät: Auf verbotene Fragen darf man lügen. Und impotente Männer brauchen seltener Erziehungsurlaub.

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Günter Flott
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