Talentshow vor dem Arbeitgeber…
Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist eigentlich ein Grund zur Freude, denn man ist auf dem Weg zum Job einen entscheidenden Schritt weiter. Nun darf man sich präsentieren und seine Talente zur Schau stellen, auf dass am Ende der begehrte Arbeitsvertrag wartete.
…oder Vorladung zum Verhör
Die Einladung zum Vorstellungsgespräch ist bei meinen Klienten aber regelmäßig Anlass zur Furcht. Denn nun muss man sich präsentieren und seine Talente zur Schau stellen. Zum wahren Alptraum wird die Veranstaltung für so manchen Bewerber, wenn er gleich mir mehreren Vertretern von der Arbeitgeberseite konfrontiert wird. Von einem „Prüfungskommitee“ sprechen die Bewerber gerne, ein Klient berichtete mir einst, zum Vorstellungsgespräch „vorgeladen“ worden zu sein.
Der Bewerber hat nichts zu verlieren
Bei solchen Vokabeln wurdert mich die Angst nicht. Wer das Vorstellungsgespräch in die Nähe von Verhören oder Prüfungen rückt, degradiert sich selbst bzw. entmündigt sich sogar. Verhöre und und Prüfungen haben gemeinsam, dass der „Eingeladene“ antwortet und die andere Seite fragt. Ungünstige Antworten können zu Strafen führen (Verhör) oder die Entwicklung behindern (nicht bestandene Prüfung).
Ein Vorstellungsgepsräch kann natürlich auch die Entwicklung des Bewerbers verhindern, allerdings auch nur in dem einen konkreten Fall. Kriegen Sie den Job nicht, kriegen Sie vielleicht einen anderen oder auch den gleichen zu einer anderen Zeit oder in einem anderen Unternehmen. Es gibt im Gegensatz zu Prüfungsordnungen keine Richtlinie, die die Zahl der Bewerbungsgespräche für eine Tätigkeit, in einer Firma oder einer Branche begrenzt.
Strafen gibt es natürlich erst recht nicht.
Vor allem besteht in einem Bewerbungsgespräch keine Einseitigkeit. Beide Seiten begegnen sich auf Augenhöhe. Auch die Person auf der Bewerberseite darf Fragen stellen. Auch sie kann im Übrigen den Arbeitgeber „durchfallen“ lassen, weil sie nach dem Bewerbungsgespräch zum dem Schluss kommt, auf keinen Falls bei ihm arbieten zu wollen.
Viel‘ Arbeitgeber, viel Ehr‘
Auch wenn die Arbeitgeberseite zahlenmäßig in der Mehrzahl ist, weil sie gleich im Quartett aufwartet, will sie damit keinesfalls den Bewerber einschüchtern. Ganz im Gegenteil: Der Bewerber kann es auch als Ehre betrachten, wenn gleich zwei, drei oder vier Arbeitgebervertreter Zeit für ihn opfern. Diese größeren Runden bieten auch mehr Möglichkeiten, an wen man persönlich die eigenen Fragen an das Unternehmen richtet.
In vielen Firmen ist durch Vereinbarungen geregelt, wer alles bei einem Vorstellungsgespräch dabei ist. Damit will die Arbeitgeberseite die Auswahl möglichst objektivieren. Die Gleichstellungsbauftragte achtet auf andere Dinge, als die Fachvorsetzte; die stellt wiederum andere Fragen als der Personalchef.
Auch Arbeitgeber haben Angst
Ferner sichern sich die Firmenvertreter gegenseitig gegen Vorwürfe, z.B. wegen Diskriminierung, ab. In dem Moment, in dem mehr als zwei Menschen bei einem Gespräch anwesend sind, kann es nicht mehr Aussage gegen Aussage stehen. Und in der Tat ist mir noch nie von verbotenen Fragen (nach Kinderwunsch, Gewerkschaftszugehörigkeit o. ä.) bei Vorstellungsgesprächen mit mehreren Firmenangehörigen berichtet worden. Eine entsprechende Verfehlung würde in solchen Fällen sehr wahrscheinlich intern geahndet.