Arbeitszeugnisse und ihre Bewertungen. Das Internet ist voll an verständlichen Übersetzungshilfen. Gestern kam eine valide Quelle hinzu. Das Bundesarbeitsgericht hat geurteilt, dass ein Arbeitnehmer erst einmal mit der Note 3 zufrieden sein muss. Die weit – auch unter meinen Klienten – verbreitete Meinung, ein Arbeitgeber sei zur Ausstellung eines guten Zeugnisses (also mindestens Note 2) verpflichtet, hat das Arbeitsgericht damit ins Reich der Märchen verbannt.
Was die vorherrschende, märchenhaft Ansicht ausgeprägt hat, ist zum einen ein falsches Verständnis des Grundsatzes des Wohlwollens und zum anderen eine schlechte Angewohnheit der Arbeitgeber.
Wohlwollen ist nicht gleich „gut“. Wohlwollen muss zugleich wahr sein
Wohlwollend formuliert heißt, dass die Beschreibung des Arbeitnehmers und seiner Leistung ihn nicht unnötig in seiner weiteren Laufbahn behindern darf. Formulierungen sollten also eher verständnisvoll als herablassend oder gar abwertend sein. Wenn die Person also eine Niete war, die man zu nichts gebrauchen konnte, darf man das in eben diesen Worten nicht schreiben, unterstellt dafür wenigstens Interesse an der Arbeit und formuliert „Sie war stets bemüht.“ Einer Minderleistenden Brillianz zu unterstellen, wäre unwahr. Ein Arbeitszeugnis muss aber die Wahrheit aussagen. Wohlwollen darf die Wahrheit nicht beugen.
Qualitative Argumente
Zeugnisse für Nieten liest man eher selten. Nicht nur, weil es wenige Nieten gibt, sonden auch, weil Arbeitgeber ungern vor Gericht zitiert werden, wo sie ihre Bewertungen verteidigen müssten. Bei unterdurchschnittlichen Zeugnissen tragen sie die Beweislast. Will hingegen der Arbeitnehmer überdurchschnittlich bewertet werden, müsste im Klagefall er entsprechende Gründe vortragen. Das Bundesarbeitsgericht betonte im aktuellen Fall, dass dazu allerdings qualitative Argumente nötig seien. Die Klägerin argumentierte nämlich quantitativ und berief sich auf Studien, nachdem die Note 2 in fast 90 Prozent aller Arbeitszeugnisse vergeben wird.
Alles ist bzw. wird gut?
Was viele machen, muss aber noch lange nicht gut (sic!) sein. Arbeitgeber wollen es sich eben auch nicht schwerer machen als notwendig. Sie haben im Rahmen von Entlassungen mit komplexen Verhandlungen um Ablösesummen, Sozialplänen und Interessensausgleiche zu tun. Arbeitszeugnisse werden am Rande und Fließband geschrieben beziehungsweise einfach nur unterschrieben. Die Note verkommt zur Fußnote.
Und das Leichte an der Geschichte: Als Empfänger von Bewerbungen nehmen die Arbeitgeber die Zeugnisbewertung genauso wenig ernst. Das gibt auch den Nieten wieder eine Chance.